20.05.2011 – 11.09.2011
Die Ausstellung ist ein Beitrag zum 200. Geburtstag der Stadt Friedrichshafen und Bestandteil des Automobilsommers Baden-Württemberg.
Im technikhistorischen Teil der Ausstellung werden Innovationen und Entwicklungen anhand von Originalexponaten und Modellen gezeigt. Ausgewählte Werke zeitgenössischer Künstler kommentieren die Technologie der Verkehrsmittel und deren Auswirkungen auf Umwelt und Kultur. Die Ausstellung verknüpft historische Technik mit zeitgenössischer Kunst, Geschichte und Gegenwart. Sie fragt nach Auswirkungen und zukünftigen Entwicklungen von Mobilität. Die Ausstellung wendet sich insbesondere an Familien: Kinder erhalten beim Betreten der Ausstellung eine Warnweste und werden mit einem Schrittzähler ausgestattet, denn Mobilität ist messbar! Unterschiedliche Aktivstationen verlocken zum Experimentieren. Wollen die Eltern und ihre Kinder darüber hinaus etwas über die Geschichte der verschiedenen Verkehrsmittel am Bodensee entdecken, so finden sie Boote, Fahrräder, Eisenbahnen, Luftschiffe, Flugzeuge, Autos und Motorräder in Groß- und Kleinformat.
Raserei auf der einen, Müßiggang auf der anderen Seite - diese beiden Zustände beschreiben die Pole, zwischen denen alle Überlegungen zur Mobilität hin- und herpendeln. Raserei und Müßiggang sind dabei auch als Metaphern für Fortschrittsglaube und Gesellschaftskritik, Technik-Utopie und Apokalypse zu verstehen. Denn seit Menschengedenken knüpfen sich an technischen Fortschritt genauso viele Hoffnungen wie auch Ängste.
Kurzum: Mobilität als ein System von Bezügen zu denken, das den modernen Menschen immer stärkeren Anforderungen aussetzt, und die kritische Durchleuchtung dieser Anforderungen sind sicherlich Fähigkeiten von Kunst, da diese immer den Betrachter, also den Menschen, in den Fokus nimmt. Doch was bedeutet Mobilität nun für die Kunst, oder besser für die Künstler? Sind sie denselben Anforderungen ausgesetzt, die dem Arbeitnehmer angesichts von Outsourcing und Produktionsverlagerungen immer größere Flexibilität und Beweglichkeit abverlangt?
Die an der Ausstellung beteiligten Künstler behandeln auf ganz unterschiedliche Art und Weise diesen Umstand und kommentieren die historischen Exponate auf einer zusätzlichen Ebene. Die Kunst vermag es, unser unterbewusstes Verhältnis zur Mobilität ins Bild zu setzen. Die Künstler der Ausstellung hinterfragen vor diesem Hintergrund alle auf unterschiedliche Art und Weise das Versprechen unserer „Kultur der Mobilität“, die den Anspruch einer uneingeschränkten Beweglichkeit von Menschen, Waren und Ideen “als eingelöste Utopie des technischen Fortschritts vermittelt.“[1]
Mit den ausgewählten Kunstwerken möchten wir auf unterschiedliche Formen des Mobilitätsbegriffs im Spannungsfeld von international vernetzten Verkehrs- und Informationssystemen hinweisen.
Michelle Atherton zeigt uns in “Dreams of Flying” (2008) die künstlerische Dokumentation ihres Fluges in einem russischen MiG-Kampfjet, den sie über Mittelmänner für teures Geld buchte und dem Traum vom Fliegen mit Überschallgeschwindigkeit ein künstlerisches Denkmal setzte.
Mit seinen schwarzen Windsäcken, die wir von den Landebahnen an Flughäfen kennen, zeigt uns Héctor Zamora mit seiner Arbeit „Credibility Crisis“ (2010), wie sehr technischer Fortschritt mit einfachen Kontrollsystemen verknüpft ist, über deren Funktionsweise wir uns normalerweise keine Gedanken machen. Zamoras Windsäcke zeigen jedoch gleichzeitig in unterschiedlichste Windrichtungen - sie stecken also in einer Glaubwürdigkeitsfalle. Die Arbeit zeigt auf eindrückliche Art und Weise, was passiert, wenn wir einem vermeintlich einfachen Zeichensystem nicht mehr trauen können, wenn also ein Ordnungssystem seine Aufgabe nicht mehr erfüllt.
Dass unsere Wahrnehmung von Zeit und Raum auf Konventionen beruht, verdeutlicht Marnix de Nijs in „The Beijing Accelerator“ (2006). Seine Arbeit bietet uns die Möglichkeit, die Dynamik unserer visuellen Kultur in einer tempobasierten Gesellschaft zu verstehen und in seine Einzelteile zu zerlegen. Setzt man sich auf den Rennsitz und nimmt den Joystick in die Hand, sieht man auf dem Bildschirm vor sich ein rotierendes Panoramabild. Das Ziel ist es, beide Bewegungen zu synchronisieren. Erst wenn dieses Ziel erreicht wird, ist der Betrachter in der Lage, die Bilder adäquat zu betrachten und wird nicht mehr von der verwirrenden Bewegung des Sitzes irritiert.
Ebenfalls mit Momenten der Irritation spielt Roman Signer in seiner Arbeit „Bett“(1996). Er selbst liegt in einem frei im Raum stehenden Bett, hat die Bettdecke bis zur Nasenspitze hochgezogen und wird von einem ferngesteuerten Helikopter fortwährend umkreist. Irritierend an dieser Arbeit ist die Thematisierung der Mobilität aus der Perspektive eines komplett passiven Hauptdarstellers. Dass Individuen auf die Heilsversprechen einer enthemmten Mobilität oftmals auch mit Rückzug, Entsagung oder gar Weltabkehr reagieren, zeigt uns der Künstler damit eindrücklich.
Im bayerischen Landkreis Erding baute Michael Sailstorfer verschiedene Wartehäuschen einer bestimmten Buslinie zu Schlaf- und Wohnzimmern um. „Wohnen mit Verkehrsanbindung“ ist eine Arbeit, die den Begriff der Mobilität bewusst umdreht, indem er die Häuschen zu Immobilien, also zu etwas sprichwörtlich Unbewegtem macht. Der Prozess des Übergangs, der dem Reisen grundsätzlich innewohnt, verwandelt sich in einen statischen Kontext. Mobilität drückt sich demnach in der Fähigkeit aus, Räume miteinander in Beziehung zu setzen. Die gedankliche Verknüpfung unterschiedlicher Räume, wie in diesem Fall durch eine Buslinie, imitiert den Aspekt des Reisens und überträgt ihn vom privaten in den öffentlichen Raum.
Peter Piller zeigt uns mit „Autos berühren“ (2000-2006) einen kleinen Teil seines Fotoarchivs, das aus Zeitungsfunden besteht, die er ikonografisch untersucht, in einzelne Kategorien sortiert und dann ohne Begleittext und Bildlegenden ausstellt. „Autos berühren“ ist eine Serie, die Menschen zeigt, die neben Autos stehen, diese berühren und dabei in die Kamera schauen. Besitzerstolz spricht genauso aus den Gesichtern der Abgebildeten, wie das nicht zu überspielende Unbehagen derer, die vom Fotografen die Anweisung erhielten, sich auf das Auto zu stützen. Es entsteht dabei ein sehr subtiles Bild einer autoverliebten Gesellschaft, deren Verhältnis zum Auto Spiegel ihrer Sehnsüchte und Abgründe wird - Mobilitätsgeschichte wird hier als Geschichte des Begehrens erzählt.
Sucht man nach einem Symbol für die Globalisierung, so ist das Schiff, bzw. das Containerschiff, sicherlich eines der zutreffendsten Symbole, die man finden kann. Andreas Lorenschats Videoarbeit „Der Eisbrecher“ (2005) zeigt uns vordergründig, dass die Geschwindigkeit der Globalisierung nicht in km/h sondern in Knoten gemessen wird und gleichzeitig viel langsamer vonstattengeht, als uns die geschwindigkeitsverliebte Globalisierungstheorie Glauben macht. Die Beobachtung der relativen Langsamkeit dieses Eisbrechers geht einher mit der Selbstbeobachtung des Betrachters, der sich unter Umständen nur noch schwer auf die Langsamkeit der Bewegung im Medium Video einlassen kann, weil mit Filmen und im Kino andere Wahrnehmungsgeschwindigkeiten eintrainiert wurden.
Auch Georg Keller nimmt sich mit seiner Installation „Containerschiff“ (2011) dieses Bildthemas an. Der ehemalige Stipendiat der ZF Kunststiftung hat das Modell eines Containerschiffes auf den Boden eines Aquariums gelegt. Es scheint mangels Wasser auf dem Boden des Meeres aufgelaufen zu sein und liegt bewegungslos da. Diese Bewegungslosigkeit, wie auch das Loch im Boden des Aquariums mit dem darunter positionierten wassergefüllten Eimer suggerieren, dass dem Schiff das Wasser erst kürzlich entzogen wurde. Ist das Schiff im wasserlosen Aquarium ein Bild des drohenden Scheiterns unserer auf Mobilität angewiesenen globalen Marktwirtschaft?
Mag sein, auf jeden Fall lässt es über das Verhältnis von Technik und Natur nachdenken und zeigt, wie bedrohlich der Stillstand für uns alle ist.