Ist das Raubkunst? Diese Frage stellt sich das Zeppelin Museum für seine eigene Sammlung. Kein gewöhnliches Unterfangen, denn die heutige Kunstsammlung wurde erst nach 1945 aufgebaut. Nach einem Totalverlust während des Zweiten Weltkriegs erwarb man ab 1950 in einer euphorischen Aufbruchsstimmung rasch die ersten 100 Kunstwerke. Von einer ‚Stunde null‘ kann jedoch weder auf dem Kunstmarkt noch in der Museumslandschaft die Rede sein. Mit der Wiedereröffnung des Museums im Jahr 1957 wurde die neue Sammlung gefeiert. Seitdem konnte sie kontinuierlich um Werke aus der Gotik bis in das 19. Jahrhundert und Hochkaräter der Klassischen Moderne erweitert werden. So wird in dieser Ausstellung ein nach wie vor unterschätztes Kapitel der Folgen des NS-Kunstraubes wie auch der gigantischen Kulturgutverlagerungen des 20. Jahrhunderts beleuchtet.
In akribischer Provenienzforschung konnten erstmals die Objektgeschichten von knapp 400 Kunstwerken und die Biografie einschlägiger Kunsthändler untersucht werden. Mit über 40 Werken werden sowohl brisante wie harmlose, geklärte als auch ungeklärte Fälle besprochen und die tatsächliche Bandbreite und die Hürden der Forschungsarbeit fassbar gemacht. Da gerade die „versteckten“ Seiten die meiste Brisanz haben können, werden von sämtlichen Werken auch die Rückseiten gezeigt.
Ist das nun alles Raubkunst?
Für viele der untersuchten Werke lässt sich diese Frage nicht eindeutig beantworten. Ziel ist es, durch die Ausstellung Transparenz zu schaffen, auf die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Forschung hinzuweisen und für das Museum möglichst weitgehend ausschließen zu können, dass Kunstwerke im Eigentum sind, die dem Museum eigentlich nicht gehören.
„Anlässlich des 20sten Jahrestags der Washingtoner Erklärung setzt sich das Zeppelin Museum kritisch mit der eigenen Vergangenheit seiner Kunstsammlung auseinander. Die Ausstellung bildet den Abschluss eines zweijährigen Projekts, das großzügig vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg gefördert wurde“, so Dr. Claudia Emmert, Direktorin des Zeppelin Museums.
Als eine der ersten Ausstellungen widmet sich das Zeppelin Museum den Besonderheiten und Herausforderungen der Zeit nach 1945 für die Provenienzforschung.
Anhand ausgewählter Objekte und entlang der Geschichte des Friedrichshafener Museums zwischen 1950 und 1990 werden die Verlagerungen von Kunstwerken, die Strukturen des Kunstmarkts rund um den Bodensee und wichtige Kunsthändler samt ihrer Netzwerke in den Blick genommen.
„Nach 1945 fanden Kunsthändler und Kunsthistoriker, die eine beachtliche Karriere während der NS-Zeit aufwiesen, am Bodensee einen Rückzugsraum. Als einer der wichtigsten Agenten Hermann Görings konnte Joseph Angerer sich nach dem Zweiten Weltkrieg ein neues Leben in Friedrichshafen aufbauen. Er hatte während der Aktion „Entartete Kunst“ 1938 aus Besitz deutscher Museen beschlagnahmte Kunstwerke in die Schweiz verkauft und Göring dafür Devisen beschafft“, berichtet Ina Neddermeyer, Leiterin der Abteilung Kunst im Zeppelin Museums.
Kunsthändler wie der Berliner Kunsthistoriker Benno Griebert waren ab 1948 wieder aktiv im Geschäft und besonders eng mit dem Friedrichshafener Museum verbunden. So kooperierte Griebert unter anderem mit dem Münchener Kunstversteigerungshaus Adolf Weinmüller, das unter den Nationalsozialisten einer der wichtigsten Profiteure bei der Veräußerung von enteignetem jüdischem Eigentum war. Es war vor allem die Nähe zur Schweiz, die den Kunsthändlern zu einem Neubeginn verhalf. Hier zirkulierten unzählige Werke aus ehemaligem jüdischen Besitz auf dem Kunstmarkt. Besonders problematisch war dafür nicht nur der Wille zum Handel mit NS-Raubkunst, sondern die große Menge an Kunstwerken mit fragwürdiger Provenienz, die man bei einem günstigen Geschäft ohne Nachzufragen in Kauf nahm.
Das Berliner Architekturbüro neo.studio, die auch schon für die
„Bestandsaufnahme Gurlitt“ in Bonn und Bern die Gestaltung übernommen
haben, zeigen in der Ausstellungsarchitektur ein dichtes Netzwerk, um
die Verbindungen zwischen kooperierenden Händlern und Museumsleuten bis
etwa 1990 offen zu legen und somit Erwerbungsquellen sowie die Herkunft
der Kunstwerke greifbar zu machen.